Gedicht des Monats Mai 2013

Du atmest Bücher ein *

Du atmest Bücher ein
im Rhododendronpark,
am Rapsfeld,
unter dem Pflaumenbaum,
auf dem Schneegipfel des Berges,

an der Steilküste des Meeres,
in der grünenden Birkenallee,
bei der Bootsfahrt auf dem Fluss,
auf dem Rücken des Pferdes,
beim Flug übers Niemandsland.

Du atmest Bücher ein
in der zugigen Bahnhofshalle,
im stickigen Büroraum,
im muffigen Kellergefängnis,
an der abgasverseuchten Landstraße.

Du atmest Bücher ein –
zu jeder Tages- und Nachtzeit,
zu jeder Jahres- und Lebenszeit;
mal genüsslich-entspannt,
mal hastig-hechelnd,
mal atmungsaktiv,
mal halb erstickend.

Satz eines Freundes nach
Jahrzehnten des Wiedersehens:
„Weißt du,
ich habe mich dumm gelesen.“

Du atmest Bücher ein.
Wann atmest du sie aus?

Josef Butscher

 

* Formulierung von Karl Krolow (1915-1999) in seinem Gedicht „Vorwand“.

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