Gedicht des Monats Mai 2019

Mein Alter

Die Haut erschlafft,
aber die Spannkraft des Geistes ist geblieben.

Das Augenlicht ist schwächer,
aber die klare Sichtweise hat nicht gelitten.

Die Stimme klingt heiser,
aber das Lied der Gelassenheit findet noch den Ton.

Das Gehen ist mühsamer,
aber die Entscheidungswege sind kürzer geworden.

Die Versäumnisse reden schmerzvoller,
aber die Gnade wirkt tiefgreifender.

Die Erwartung an das Heute ist nicht geringer,
aber die Sehnsucht nach Zukunft brennt inniger.

Ich habe noch Zeit.
Jeder Tag ist genausolang wie früher.

Ich stütze mich aufs Fensterbrett
und blicke auf die Straße,
neugierig wie ein Vierzehnjähriger.

Josef Butscher

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